Überblick und kleine Weingeschichte
Hallo an alle, die meinen Blog, und damit meine Reise verfolgen. Wirklich bahnbrechendes gibt’s momentan gar nicht zu berichten. Vor allem sind es die kleinen, alltäglichen Beobachtungen, die ich hier so machen kann. Davon berichte ich euch jetzt, mit einem leckeren Glas albanischen Rotwein neben der Tastatur. Übrigens, Wein hat in Albanien eine lange Geschichte. Als Weinland eher unbekannt, birgt es doch einiges an qualitativ hochwertigem und wirklich gutem Rebensaft. Schriftlich belegt ist der Weinbau hier bereits seit 800 vor Chr. Die ältesten Samen, die hier gefunden wurden, sind etwa 4.000 bis 6.000 Jahre alt. Biturica, so wird die alte illyrische Rebe genannt und wuchs vermutlich in der Region Durres, gilt als Mutter der Carmenet-Traubenfamilie. Zu dieser zählen die, heute bekannten und in vielen Ländern angebauten, Sorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Petit Verdot und einige mehr. Aber genug von alkoholischer Geschichte.
Die ersten Tage
In den ersten Tagen nach meiner Ankunft in Vlora habe ich mich vor allem mit meinem Broterwerb, der Erkundung der Stadt und der Organisation einer neuen Scheibe für mein Auto befasst. Jetzt, als ich richtig angekommen bin, unternehme ich auch kleinere Ausflüge.
Erste Kontakte und das Abenteuer Werkstatt
Die Zeit, die ich hier verleben darf, hat mir bisher ein Land gezeigt, dass voll von freundlichen, aufgeschlossenen und hilfsbereiten Menschen steckt. Ich bereue keine Minute, hier meinen ersten Stopp eingelegt zu haben.
In den ersten Tagen beschränkten sich meine Kontakte zu Landesbewohnern auf meine Vermieterin und einen Besitzer eines kleinen (wirklich kleinen) Supermarktes. Trotz anfänglichen Sprachschwierigkeiten haben wir uns immer verständigen können. Mit Händen und Füßen, Google Übersetzer und einem kleinen Bilderwörterbuch, welches ich von meinen ehemaligen Kollegen zum Abschied bekam (Danke an dieser Stelle). Mit letzterem konnte ich immer ein Lächeln ins Gesicht meines Gegenübers zaubern. Der Supermarktbesitzer freut sich immer, wenn ich komme. Das ist fast täglich. Hier gibt es frisches Obst und Gemüse aus der direkten Nachbarschaft. Mandarinen, praktisch direkt vom Baum. Oliven aus den umliegenden Dörfern und vieles mehr. Reich wird er mit mir nicht. Die Freundlichkeit der Menschen kommt nicht von der Voraussicht zu verdienen. Die Menschen hier sind erstaunlich offen und authentisch. Das merkte ich auch vor wenigen Tagen. Die Werkstätten hier ticken etwas anders als man es bei uns kennt. Auto bringen und sagen „Mach mal“ ist nicht. Hier ist es üblich, die Ersatzteile selbst zu besorgen und mit dem Auto zu bringen. Als Ortsfremder ist das gar nicht so einfach. Auch der Teilehandel ist hier anders. Verschleißteile, Öle und ähnliches, kein Problem. Spezielle Teile wie zum Beispiel meine Seitenscheibe ist neu nicht zu bekommen (jedenfalls nicht innerhalb des Landes). Da helfen nur die Autoverwerter, die es hier an jeder Ecke gibt. Nur, haben die genau das, was ich brauche? Schwierig. Nun ja, ich habe mich (zu der Zeit noch unwissend) an eine kleine Werkstatt gewandt. Die gibt es hier zuhauf, dass man meint jeder zweite Albaner ist Mechaniker. In der Werkstatt haben wir mein Problem kommuniziert. Der Mechaniker ist zu dem Schluss gekommen, dass er mir nicht helfen kann, jedoch gab er mir einen Tipp, an wen ich mich wenden könnte. Autoverwerter Artur wäre eine Anlaufstelle. Anlauf ist korrekt, da ich mein Auto an der Unterkunft stehen ließ. Ich machte mich auf den Weg und war noch keine 100 Meter gekommen. Da hielt ein Auto neben mir, darin der Mechaniker. Er gab mir zu verstehen, dass er mich mitnimmt. Als ich ihm etwas Geld für die Fahrt geben wollte, lehnte er ab. Der Autoverwerter versuchte alles, in seiner Macht Stehende zu tun, um eine Scheibe zu besorgen. Er telefonierte gut eine halbe Stunde mit allen möglichen Leuten. Nichts zu machen. Abends schickte mir der Sohn meiner Vermieterin ein paar Telefonnummern. Ich hatte Glück. In Durres (130 Kilometer von Vlora entfernt) war die passende Scheibe vorrätig. Nichts wie hin. Für ganze 2.000 LEK (15 Euro) übergab er mir das gute Stück und nahm ebenfalls kein Trinkgeld an. Aber ein Kaffee und ein nettes Gespräch waren drin. Nach Rückkehr zur Unterkunft habe ich die Scheibe sofort eingesetzt. Muss nur noch schauen, ob ich irgendwo die Gelegenheit habe, das Auto auszusaugen. Die Splitter der kaputten Scheibe sind überall im Innenraum verteilt.
Kreise ziehen
Heute habe ich mich erstmals (abgesehen vom Ausflug nach Durres) außerhalb der Stadt bewegt. Ich sah mir die Narta Lagune und ein kleines Kloster auf einer sehr kleinen Insel an. Danach ging es zur Burgruine Kanine oberhalb von Vlora. Ein gigantischer Ausblick auf die Adria und die Stadt Vlora. Der Weg dorthin war teilweise abenteuerlich. Schmale Straßen dicht am Abgrund ohne jegliche Sicherung sind hier normal. Frei laufende Schafe, Ziegen und Esel ebenso wie Bauern, die ihre Lasten mittels Esel transportieren. Das kann auch gern auf einer Schnellstraße sein. Apropos Verkehr, Verkehrsregeln gibt es in Albanien wohl. Halten tut sich hier jedoch kaum jemand daran. Dennoch funktioniert es erstaunlich gut. Hier achtet man aufeinander. Der schnellere/stärkere hat Vorfahrt und alles ist gut. Ich habe mich sehr gut damit arrangiert. Auch auffällig, die sehr hohe Präsenz der Polizei. Ich habe noch nie so viel Polizei gesehen. Dafür fehlt es an technischen Mitteln wie Blitzer. Zum Abschluss des heutigen Tages ging ich noch in eine griechische Taverne. Der Kellner konnte etwas gebrochenes Deutsch und so habe ich erfahren, dass er bereits in Stuttgart als Krankenpfleger gearbeitet hat.
Nun denn. Das soll es für heute gewesen sein. Morgen ist hier Tag der Unabhängigkeit und der Flagge, Dienstag ist Tag der Befreiung. Das albanische Volk hat einen großen Nationalstolz. Und ich meine, aufgrund ihrer Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft dürfen sie stolz auf sich sein. Da könnten sich viele Menschen eine große Scheibe abschneiden. Ja, es ist ein armes Land. Es hat viel aufzuholen und bis in die EU ist es noch ein weiter Weg. Man darf nicht vergessen, das Land war bis zur politischen Wende Anfang der neunziger fast vollständig isoliert. Es hat die Chance verdient und ist bemüht.