Reiseblog
Entscheidung gefallen: Auf nach Marrakesch!
Ja, die Schlangenbeschwörer haben gerufen. Ich habe mich entschieden, erstmal in Richtung Marrakesch zu fahren. Gemütliche 300 Kilometer durch bergiges und wüstenartiges Gelände. Das Gewusel auf den Straßen, besonders der Verkehr, erinnerten mich ein wenig an Istanbul. Für einen Ortsfremden völliges Chaos. Und doch, es funktioniert, wenn man sich darauf einlässt. Der ständige Blick in den Spiegel und in alle Richtungen wird vorausgesetzt. Einmal quer durch die Stadt. Angekommen in der Unterkunft habe ich dann nur noch den nötigen Einkauf in der unmittelbaren Umgebung erledigt.
Öffentlicher Nahverkehr in Marrakesch: Besser als gedacht!
Am nächsten Tag wollte ich mir die Stadt anschauen. Ja sicher, eigentlich braucht es dafür mehr als einen Tag. Aber mich unterscheidet etwas vom typischen Touristen. Ich muss nicht alles sehen, was in den Stadtführern steht. Prinzipiell ticke ich so: „Ich war mal da und gut!“ Größeres Interesse meinerseits besteht an den Dingen, die eher nicht gehypt werden. Naturschönheiten und authentische Umgebung.
Dennoch. Marrakesch hat mir schon gefallen. insbesondere mein Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln Ausgeschilderte Bushaltestellen gibt es nicht. Dank Google habe ich mich trotzdem orientieren können. Die Pünktlichkeit hat (meiner Erfahrung nach) die der Deutschen Bahn deutlich übertroffen. Die Busse: alt, zusammengeflickt und manchmal abenteuerlich. Aber Sie fuhren. Ich habe auch keinen mit Panne am Straßenrand gesehen. Der Preis: Ganze 4 Dirham (knapp 40 Cent).
Vorbei an einigen Sehenswürdigkeiten wie der Koutoubia-Moschee und dem Sultans-Mausoleum zum Jemaa el-Fnaa. Dem wohl berühmtesten Platz in Marrakesch. Dort treiben sich Gaukler und Schlangenbeschwörer herum. Viele Pferdekutschen stehen für Stadtrundfahrten bereit und es gibt zig Stände, die frisch gepressten Saft anbieten. Schlussendlich hat auch mich ein Schlangenbeschwörer um den Finger gewickelt. Ich bekam fürs Foto eine Schlange um den Hals (keine Kobra). Der geforderte Preis (der wird meist erst im Nachhinein genannt) war mir definitiv zu hoch. Aber auch hier gilt: Feilschen ist Pflicht! Ist mir auch recht gut gelungen. Eine Faustregel besagt: Zahle 30–40 Prozent der geforderten Summe. Von den angesagten 500 Dirham bekam der gute Mann 150. Immer noch viel Geld für Marokko.
Auf dem Rückweg zur Unterkunft habe ich noch einen der eher seltenen Liquor-Stores entdeckt. Ok, probiere ich mal eines der wenigen marokkanischen Biere. OK, Etiketten sind von hervorragender Qualität und sehr gut geklebt. Im Zimmer habe ich es dann geöffnet. Ich habe schon bewusst den am besten bewerteten Hopfensaft ausgesucht. Das „Cassablanca“ war dennoch nichts für meinen Gaumen. Auch nach Wochen des Verzichtes.
Weiter ans Meer: Sidi Ifni
Die Küste vor Sidi Ifni hat mich begeistert. Recht nahe an der Westsahara ist es dort noch nicht so touristisch überlaufen. Und bietet dennoch spektakuläre Aussichten. Am ersten Abend ging es ins Restaurant Kharbouch. Es ist eher unscheinbar auf dem örtlichen Markt zu finden und wirkt äußerlich nicht sonderlich einladend. Der Fisch dort ist jedoch sehr gut! Danach fuhr ich zum Strand. Nicht dem offiziellen. Es ging einige Kilometer offroad über dickes Geröll. Gutes Training für mich. Der Ausblick hat mich für die Anstrengung mehr als entlohnt. Aber wie überall in Marokko: Du bist nie allein! Einige Küstenfischer haben dort ihr Lager aufgeschlagen.
Auf dem riesigen Campingplatz war ich der einzige Gast. Das hat mich nicht gestört. Für 35 Dirham pro Nacht hatte ich einige Hektar und viele Duschen und Toiletten für mich allein. Nach einer ruhigen Nacht genoss ich einen Strandtag. Ein schöner Spaziergang, ein leckeres Essen und sehr guter Kaffee rundeten den Tag ab. Abends genoss ich als einziger Gast des Restaurants auf dem Campingplatz eine echt gute Tajine. Eigentlich war kein Küchenbetrieb wegen fehlender Besucher. Der Koch hat sich trotzdem rangemacht und mir etwas gezaubert. Man bedenke: Tajine ist nicht mit Bockwurst oder einem schnellen Schnitzel zu vergleichen. Das Gericht braucht etwa 2 Stunden!
Pläne ändern sich!
Es hat sich was getan. Meine Pläne haben sich etwas geändert. Auf die Gründe komme ich in einem späteren Beitrag zu sprechen. Ich werde langsam Richtung Deutschland reisen. Die Betonung liegt auf „langsam“. Der Wunsch, tiefer in den afrikanischen Kontinent einzutauchen, ist noch immer (eigentlich viel stärker) da. Diesen Traum werde ich auch weiter verfolgen. Vermutlich mit einem anderen Reisemittel. Es wird etwas dauern, aber es geht weiter. Südafrika auf eigener Achse ist nach wie vor mein Traum. Aber erstmal geht’s noch in die Wüste.
Auf in die Wüste: Merzouga und ein Sandsturm rufen!
Bevor ich den Heimweg antrete, will ich unbedingt noch die Sahara sehen. Zumindest einen Teil davon. Also ging es von Sidi Ifni über Ouarzazate nach Merzouga. Dort befinden sich die größten Sanddünen Marokkos. Auf halbem Wege kam ich bei einer Berberfamilie unter. Sie leben in Taznakht. Dort werden die berühmten Berberteppiche von Hand gewebt. Meine Gastgeber produzieren sie ebenfalls. Falls jemand Interesse an einem solch tollen Stück haben sollte: Melde Dich bei mir und ich stelle den Kontakt her.
Auf dem Weg habe ich noch deutlich die Spuren des Erdbebens von 2017 sehen können. Viele der typischen Stampflehmbauten sind eingestürzt. Ein teilweise katastrophales Bild. Zudem gab es wenige Tage vor meiner Reise nach Merzouga die ersten (und verdammt heftigen) Regenfälle seit über 10 Jahren! Auch diese Spuren waren nicht zu übersehen. Unterspülte Straßen, zum Teil großflächig weggebrochener Straßenbelag. Auch in der Landschaft war zu sehen, wo sich das Wasser seinen Weg gebahnt hat. Trotz der Schäden: Das Wasser bringt Leben! Die Grundwasserreservoirs sind etwas aufgefüllt, die Brunnen liefern Wasser.
Angekommen in Merzouga! Das Panorama ist ein Traum. Der Campingplatz befindet sich unmittelbar am Fuße der Sanddünen. Barfuß machte ich eine kleine Tour durch die Dünen. Kamele, Geländewagen und Quads waren zu sehen. Und ja, tatsächlich leben auch dort noch echte Nomaden. Tags darauf wollte ich es noch einmal wissen. Offroadtour mit meiner Gisela! Allein und abseits jeglicher Zivilisation. Nicht in die Sandwüste. Wer es nicht weiß, es gibt mehrere Arten der Wüste. Neben dem Sand existieren noch die Steinwüsten. Und auch die Arktis und Antarktis gehören zu den (Eis-)Wüsten. Durch den vergangenen Regen war die Tour äußerst anspruchsvoll. Überall abgesackte Wasserläufe. Neben den Steinen und Geröll waren immer wieder Abschnitte mit tiefem Sand und steilen Hängen dabei. Ich muss zugeben, manchmal habe ich ernsthaft überlegt, umzudrehen. Aber letztendlich habe ich mir gesagt: „Du wolltest das Abenteuer, du wolltest Offroad!“ Ich habe es durchgezogen. Und am Ende des Tages konnte ich als Resultat eine deutliche Verbesserung meiner Offroadfähigkeiten und des Selbstvertrauens verzeichnen. Heute sage ich mir: Hindernisse sind dazu gemacht, überwunden zu werden.
Es gibt auch noch ein anderes Hobby, welchem ich fröne. Mineralien und Fossilien. Marokko gilt hier als Goldgrube. Und das durfte ich auch selbst erleben. Bei meinen kleinen (manchmal längeren) Pausen fand ich so einiges. Interessante Quarze und Fossilien aus dem Devon (ca. 400 Millionen Jahre alt). Nun fahre ich mit etwa 2 Kilogramm Mehrgewicht durch die Gegend.
Ich hatte ja Abenteuer bestellt! Also gab es zum Abend auch noch einen kleinen Sandsturm. Imposant! Auch wenn es tatsächlich nur ein Kleiner war. Er hat es auf jeden Fall geschafft, Saharastaub in jede Pore und in mein weitestgehend dichtes Zelt zu tragen. Aber OK, das gehört halt dazu und ist wieder ein kleines Highlight meiner Reise.
Langsam Richtung Europa!
Es wird Zeit, den Rückweg anzutreten. Erster Halt für 2 Tage war Azilal. Hier war ich bereits zu Anfang meiner Zeit in Marokko. Ich habe die Zeit genutzt, um den Saharastaub aus meiner Ausrüstung und vor allem der Kleidung zu bekommen. Der nächste und letzte Halt in Afrika war sehr intensiv. Ich habe die Menschen in Marokko durchgängig als freundlich und hilfsbereit erlebt. Der letzte Stopp setzte dem Ganzen noch eine fast familiäre Krone auf und wird in meinem Gedächtnis bleiben.
Der kleine Campingplatz Dar Kabira Monim et sa famille war der bisher schönste meines Lebens! Abgesehen von Ausstattung und Lage (war nicht schlecht) gab es sofort echten familiären Anschluss! So etwas Herzliches habe ich noch nie erlebt. Nach einem guten marokkanischen Tee mit anderen Campinggästen wurde ich zum Abendessen durch die Gastgeberfamilie eingeladen. Das Hühnchen und die Pommes waren vortrefflich! Vor allem das Essen gab es nicht auf dem Campingplatz, sondern im Wohnzimmer der Gastgeber. Da ich am Folgetag bereits sehr früh aufbrechen musste, war der Abschied bereits am Abend. Und dieser war sehr herzlich. Marokko hatte sich bereits vom ersten Tag einen Platz in meinem Herzen erobert. Dieses Erlebnis gibt mir die Gewissheit: Ich komme wieder!
Zum Thema Reisen in Marokko werde ich noch einen ausführlichen Reiseratgeber speziell für Motorradfahrer veröffentlichen.
Über das Meer: Zurück nach Europa!
Déjà-vu. Zurück in Tanger Med. Die Fähre ruft nach 4 Wochen Marokko. Eine wunderbare Zeit liegt hinter mir. Der Grenzübergang lief ähnlich wie auf der Einreise. Nur wollte diesmal keiner in meine Koffer schauen. Zeitraubend war es dennoch. Eine gute Stunde dauerte es, bis ich am Anleger stand. Und auch dort war nochmal Warten angesagt. Aber es war nicht mehr so heiß wie bei der Einreise. Gegen 18 Uhr fuhr ich in Algeciras von der Fähre. Nur 30 Kilometer bis zum ersten europäischen Campingplatz. Auch dort war ich bereits. Direkt vor Marokko.
Nun befinde ich mich in der Nähe von Cartagena. Hier werde ich für die nächsten 4 Wochen bleiben und mich etwas erholen. Die Reise bisher war anstrengend. Ich merke, dass ich keine 20 mehr bin. Habe bei meiner bisher über 4-monatigen Reise lediglich 5 Nächte eine feste Unterkunft genutzt. Kein Grund zum Klagen. Ich habe jede Minute genossen. Jetzt werde ich schauen, ob ich noch ein paar Spätsommertage erhasche, bevor es weiter ins kühle Deutschland geht.
Bis dahin
Euer Jürgen